Montag, 29. Oktober 2012

Meine Jungs

Da ich schon von einigen Leuten gefragt worden bin, was denn bei mir im Heim eigentlich so für Jungs leben, woher sie kommen und wie sie ausgewählt werden, dachte ich mir, ich widme dem Thema mal einen ganzen Eintrag. Ich glaube, das ist für alle interessant!

Wie kommen die Jungs in das Boys Home?
Jeden Juni, wenn die Schule wieder anfängt, schicken unsre franziskanischen Father Ausschreibungen an verschiedene Gemeinden, in denen sie von dem Boys Home berichten. Dadurch erfahren die Menschen von dieser Einrichtung.
Im Boys Home werden nur Jungs angenommen, deren Eltern zu arm sind, um ihr Kind in eine normale, öffentliche Schule zu schicken. Einige Familien sind sogar so arm, dass sie nicht einmal ein eigenes Haus oder eine Wohnung besitzen. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, wie den gerade 10 gewordenen Nikhil, dessen Familie zwar genug Geld für die Schule hat, allerdings so weit von der nächsten Stadt entfernt wohnt, dass Nikhil dort alleine in einem Hostel wohnen müsste (wofür das Geld dann auch nicht reicht).

Woher kommen die Jungs?
Unser Heim hier in Kochi hat einen so guten Ruf, dass die Jungen von weit her kommen. Der 12-jährige Sofin zum Beispiel kommt aus Trivandrum, ganz im Süden von Kerala (9 Stunden Zugfahrt!). Er kann nur während der großen Ferien nach Hause fahren, da seine Eltern sich die sonstigen Fahrten nicht leisten können. Sein Vater arbeitet bei einem Fischereibetrieb hier in der Nähe und kommt somit regelmäßig nach Kochi, Sofin besucht er aber nie.. Man merkt, aus was für einer Familie der Junge stammt!
Es gibt aber auch einige, die in Kochi und Umgebung wohnen. Oft ist es für die Eltern leichter, einfach die Verantwortung an andere – in dem Fall den Fathers – zu übergeben. Wenn die Jungs nicht im Boys Home leben und arbeiten würden, wären sie zu Hause sich selbst überlassen und würden so schnell auf die schiefe Bahn geraten.

Aus welchen Familien stammen sie?
Wie ich ja schon vorher erwähnt habe, kommen unsre Jungs aus sehr armen Familien. In vielen Fällen ist der Vater Alkoholiker und die Mutter schafft es nicht, sich allein um ihre Kinder zu kümmern. Viele Jungs leben auch nur bei der Mutter, da ihr Vater gestorben ist. Edwins Vater ist zu Beispiel vor ein paar Jahren in einem See ertrunken (er hat bei einem Kopfsprung die Metallstange im Wasser nicht gesehen.. den Rest erspar ich euch). Father Shaju meinte, er habe Edwin noch nie danach gefragt, aber er glaubt, der Junge habe den Tod seines Vaters beobachtet. Edwin soll sehr an seinem Vater gehangen haben und seine Mutter ist unglaublich froh, dass er inzwischen wieder lachen kann.
Stephins Vater ist bei einer Schießerei ums Leben gekommen, keiner weiß die genauen Hintergründe dazu.
Amal, ein anderer Junge aus dem Boys Home, hat noch beide Elternteile. Er hat einen Bruder mit einer leichten geistigen Behinderung der ihn anscheinend hasst. Laut Shaju würde er Amal umbringen wenn er daheim leben würde.. Die Mutter ist mit der ganzen Situation völlig überfordert und hat keine andere Möglichkeit gesehen, als Amal ins Boys Home zu schicken.

Ist das Verhalten der Jungs davon beeinflusst?
Wenn man solche Geschichten über die Jungs kennt ist es immer wieder erstaunlich und auch sehr berührend, wie liebevoll und brüderlich sie miteinander umgehen können. Sie helfen sich gegenseitig bei den Hausaufgaben, trösten sich, kuscheln und necken sich gegenseitig.
Andererseits ist es erschreckend anzusehen, mit welcher Skrupellosigkeit zwei 12-jährige Jungs aufeinander losgehen können und sich ohne jegliche Hemmungen prügeln oder dem anderen an die Gurgel gehen. Hier merkt man, dass sie wohl nicht so ein liebevolles und schönes Zuhause haben, wie wir es aus Deutschland kennen.
Auch an der Tatsache, dass die Jungs uns ständig nach Geschenken fragen, ob einen unserer Stifte, ein Heft oder Schokolade und ihre Freude über Kleinigkeiten, wie beispielsweise einen Luftballon, sind Hinweise auf ihre ärmlichen Familienverhältnisse.


Ich kann nur sagen, dass mir die Zeit mit MEINEN Jungs echt Spaß macht! Ich werde hier vielleicht nicht große Projekte starten, den Jungs perfektes Englisch beibringen oder Wunder bewirken. Stattdessen möchte ich den Jungs eher eine Art große Schwester sein, ihnen Zuneigung schenken, sie ein bisschen bemuttern, necken und mit ihnen Spaß haben. Einfach versuchen, ihnen die Liebe zu geben, die sie sonst nicht bekommen.
Ich glaube immer noch fest an den Spruch:
Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern!

Ganz liebe Grüße ins kalte Deutschland,
Lea :*

Freitag, 19. Oktober 2012

Südindienreise mit Francis und den Chennai-Mädls


Ajoooo :)
Dieses kleine Wort, dass hier in Indien bei jeder Gelegenheit verwendet wird (Begeisterung, Erstaunen, Empörung, ..) drückt unsren wunderbaren Urlaub sehr gut aus!
Da es sooo Vieles zu erzähln gibt, schreib ich jetzt einfach zu jedem Tag ein bissl was:


Dienstag, 09.10.12:
Ich packe meinen Koffer und nehme mit: einen Rucksack voller Klamotten, mein Tagebuch, ein Kopfkissen, ne Gitarre (von Father James geklaut), ein Liederbuch, eine Taschenlampe, einen  Fotoapparat, Kekse, eine Flasche Cola und gaaanz ganz viel gute Laune :)

Mittwoch, 08.10.12:
Traumhafter Ausblick in Chiplito
Nach einer Abschiedsumarmung von Köchin Filo gings um halb 8 mit viel zu viel Gepäck  zum Bus in Richtung Bahnhof. Ich muss wohl sehr überfordert gewirkt haben, da mir nach 2 Minuten ein fremder Mann meine Gitarre abgenommen und sie während der ganzen Busfahrt gehalten hat :D
Nach der dreistündigen Zugfahrt sind wir in Calicut angekommen und wurden dort sehr lieb von Joji, unsrem Fahrer für die ganze Reise, empfangen. Auf dem Weg zu dem Konvent, in dem wir übernachten sollten haben wir zum ersten Mal Zuckerrohrsaft getrunken uuuuuund.. ich hab meinen ersten echten, lebendigen indischen ELEFANTEN gesehn!!! Ein Mann is einfach auf in an unsrem Auto vorbeigeritten :)
Das Konvent lag super schön in den Bergen, irgendwo in der Pampa mitten im Dschungel.. Die Menschen leben dort vor allem von den riesigen Kautschuk-Plantagen. Der restliche Abend bestand aus viel Essen und nem Spaziergang durch die Gegend.

Donnerstag, 04.10.12:
Wir sind Nachts um 4.00 Uhr mit dem Auto in Richtung Chennai (Tamil Nadu) losgedüst, wo wir uns mit Francis und den andren beiden Freiwilligen aus unsrer Organisation treffen wollten.
Es war eine 17–stündige Fahrt mit nicht einmal 2 Stunden Pause – für Joji doch ein Klacks! Die Fahrt war trotz ihrer Länge ganz und gar nicht langweilig, denn die indischen Landschaften sind einfach der Wahnsinn: Sonnenaufgang im Nationalpark, Berge, Steppe, quitschgrüne Reisfelder, Steinfelsen, .. wir haben daher den ganzen Tag nur mit gucken verbracht  :D
Die Nacht haben wir in Chennai in einem Hotel verbracht.

Freitag, 05.10.12:
Nachdem wir relativ spät gefrühstückt haben, haben wir Francis vom Flughafen abgeholt und sind mit ihm nach Nessakaram gefahrn, dem Projekt in dem unsre Mitfreiwilligen Nathalie und Mareike sind. Es war einfach super schön, alle wiederzusehn! Nach dem kurzen Aufenthalt in Chennai gings bald mit dem jetzt doch etwas volleren Auto nach Pondicherry. Dort mussten wir leider für Francis` Reise im Januar ein Hotel vortesten.. nur Dank dessen kamen wir in den Genuss eines Hotels mit POOl :D Der Abend war super lustig! Wir haben viel gelacht, rumgeblödelt und geredet.

Die goldene Kugel - Das Zentrum von Auroville
Samstag, 06.10.12:
Nachdem wir in der Früh um  7 Uhr in den Pool gehüpft sind, gings schon gegen 12 weiter nach Auroville. Für diejenigen, es nicht kennen: Auroville wird auch die „Stadt für sich“ genannt. Dort leben Menschen aus über 40 verschiedenen Ländern unabhängig von Religion oder Kultur in Harmonie zusammen. Das Zentrum dieser Gemeinschaft ist eine riesige goldene Kugel, in deren inneren ein Meditationsraum ist. Als Tourist kommt man nicht in die Stadt hinein, allerdings gibt es ein Besucherzentrum, von dem aus man einen sehr guten Blick auf die gigantische Goldkugel hat.
Den Rest des Tages ham wir im Auto verbracht und sind erst abends in einem Konvent in Palmana (Andhra Pradesh) angekommen.

Bangalore by night :)
Sonntag, 07.10.12:
Vor genau 2 Monaten gings los, das Abenteuer Indien!!
Nach dem Sonntagsgottesdienst wurde uns erst einmal die Gegend gezeigt, bevor wir weiter nach Bangalore (Karnataka) gefahren sind. Damit uns auf der Autofahrt nicht so langweilig wird, hab ich die Gitare ausgepackt und wir ham erstmal bissl Stimmung gemacht :D
In Bangalore haben wir auch in einer riesen Friary übernachtet (alle 4 in einem Zimmer – wie auf Klassenfahrt!). Es konnten dort voll viele Fathers Deutsch, daher mussten wir echt aufpassen, was wir sagen.. Wir haben uns nämlich schon total daran gewöhnt, dass uns keiner versteht ;)
Wir 4 Mädls sind erstmal losgezogen und ham uns ein bisschen in der drittgrößten Stadt Indiens umgeschaut. Fazit: Es ist eine sehr große, chaotische Stadt, die aber trotzdem das gewisse Etwas hat. Wir haben dort in einem Einkaufszentrum unsren 1. Mc Donalds hier in Indien entdeckt und noch dazu eine riesige Bandbreite an Markenläden (Nike, Puma, Vans,.. es is alles dabei). Für uns wars schön, einfach mal wieder in eine etwas westlichere Welt einzutauchen und ich hab hier auch die erste Inderin in Hotpants gesehn :D

Der Maharadscha-Palast
Montag, 08.10.12:
Auch den nächsten Morgen haben wir wieder beim Bummeln verbracht und uns durch die westlichen Läden gegessen : Brownie, Pizza und Frozen Jogurt :)
Den  restlichen Tag haben wir im Auto auf dem Weg nach Mysore verbracht. Dort haben uns natürlich den bekannten Maharadscha - Palast angeschaut (von außen). Er besteht aus einer goldenen Hauptkuppel und vielen kleinen Türmen und schaut vor allem im Dunkeln super schön und imposant aus!

Dienstag, 09.10.12:
Diesen Tag haben wir vor allem im Auto verbracht. Aber ihr braucht nicht denken, dass das langweilig ist! Es gibt immer so vieles zu sehn, die indische Landschaft ist einfach so vielfältig und faszinierend. Außerdem hatten wir 4 Mädl uns ja auch viel von den letzten 2 Monaten zu erzählen! Es tat echt gut sich mal auszutauschen..
Übernachtet haben wir in einem Schwestern-Konvent in Pudupady (in der Nähe von Chiplito, dem Konvent, von dem aus Theresa und ich unsre Reise gestartet ham).

Vor dem Haus unsrer liebe indischen Family
Mittwoch, 10.10.12:
Der Mittwoch war einer der schönsten Tage der Reise! Wir haben ihn nämlich bei einer unglaublich netten indischen Familie verbracht, die mitten im Urwald an einem wunderschönen Fluss gelebt hat. Dort waren wir den ganzen Nachmittag auch baden (im Bikini, die Familie war ziemlich modern). Es war einfach super cool, sich bei Sicht auf die indischen Berge von der Strömung den Fluss runtertreiben zu lassen..
Abends haben wir beim Kochen geholfen (Fazit: Tapioka schmeckt fast wie Kartoffel, nur anders :D) und nach dem Essen den Indern beim Volksliedersingen zugehört. Später hat uns die Tochter des Hauses (ca 22 Jahre alt) noch zu super cooler indischer Musik ein paar Tanzschritte beigebracht.

Donnerstag, 11.10.12:
Weil uns das Schwimmen am Tag zuvor so viel Spaß gemacht hat, sind wir extra früh aufgestanden um nochmal zum Fluss gehen zu können. Wir haben uns nochmal die Gegend angeschaut und mussten dann leider schon Vormittags wieder zurück nach Pudupady fahrn. Abends haben wir noch bissl gequatscht und sind früh ins Bett, denn..

Freitag, 12.10.12:
.. am nächsten Tag gings schon um 6 Uhr weiter mit dem Zug nach Kochi. Francis musste leider in Pudupady bleiben, da sein Flug schon einige Tage später von dort aus ging, aber Natalie und Mareike haben uns begleitet!
In Fort Kochi haben wir erst mal in einem unsrer geliebten Cafés gefrühstückt und unsre Sachen in unser Hostel gebracht (sehr einfache, aber saubere Zimmer + netter Besitzer = 200 Rs / 3 Euro pro Nacht).
Nachmittags haben wir den Chennai-Mädls die wichtigsten Sehenswürdigkeiten (wie den berühmten Schokokuchen :D) gezeigt und wir warn uns alle einig, dass sie unbedingt bald nochmal nach Kochi kommen müssen. Abends haben wir uns mit Maik, einem weiteren deutschen Freiwilligen, einem Amerikaner und einem Inder getroffen und in einem meeeega schönen Restaurant zu Abend gegessen, dessen Terrasse aufs Meer rausging. Das Meer und der Hafen bei Nacht – einfach gigantisch! Wir haben es sehr genossen, mal länger draußen sein zu dürfen, als 20.00 Uhr und haben den Abend am Strand sitzend ausklingend lassen..

Bildunterschrift hinzufügen
Samstag, 13.10.12:
Den letzten Tag unsrer Reise haben wir mit Vorkornbrot (von Francis), Schokocreme und Peanutbutter begonnen und sind dann los auf unsre Backwatertour. Wer es nicht weiß: Die Backwaters sind lauter kleine Flüsschen, die sich hier durch das Hinterland ziehen. Es ist einfach eine wunderbar entspannte Atmosphäre, wenn man da auf dem kleinen Bötchen durch die Wälder schaukelt und hier und da eine Wasserschlange oder andere Tiere entdeckt. Zwischendurch haben wir an einer Gewürz- und einer Kokosnuss-Plantage haltgemacht (Fazit: Zimt ist die Rinde eines Baums :D).
Nathalie und Mareike haben sich noch kurz unser Boys Home angeschaut, dort mit zu Abend gegessen und sind dann Nachts mit dem Zug zurück nach Chennai.
Es war ein wunderschöner Ausklang einer gigantischen Reise!! Danke nochmal, Francis :)

Reiseimpressionen


Sooo, das war unsre Reise! Ich hatte vor unsrer Rückkehr ja schön befürchtet. Wir müssen uns nach dieser langen Abwesenheit das ganze Vertrauen der Jungs und der Playschoolkids wieder erarbeiten, aber das war zum Glück nicht der Fall. Im Gegenteil! Ich hab des Gefühl, dass unser Verhältnis vor allem zu den jüngeren Jungs im Boy Home noch viel enger geworden ist. Sie lassen sich in letzter Zeit immer Mal wieder gern durchkitzeln oder in den Arm nehmen und das ist die schönste Bestätigung, die wir bekommen können! (Inder halten nämlich nicht so viel von Lob :D)

Wir haben uns jetzt auch ein kleines Projekt überlegt, und zwar wolln wir mit den Playschoolkindern und mit den Jungs jeweils einen Geburtstagskalender, bestehend aus Namen, Geburtsdatum, Foto und Handabdruck, basteln und ihn im Playschoolzimmer bzw. dem Study-Zimmer aufhängen.. Die Fotos sind schon gemacht und der Rest folgt auch bald ;)

Playschoolkids

unsre süßen, frechen Jungs :)


Ich hoff es geht euch allen gut! Meldet euch doch mal, ich freu mich immer über Kommentare, Mails oder Briefe..
Lea :*


Dienstag, 2. Oktober 2012

Unterschiede zwischen Indien und Deutschland




Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn’t do  than by the ones you did do. So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover.
(Mark Twain)

Der Spruch, den mir zwei sehr gute Freunde in mein Abschiedsbuch geschrieben haben, hilft mir hier über so manche schwierige Zeit hinweg. Ich bin mir immer noch sicher, dass es das Richtige war, dass ich nach Indien gekommen bin und die vielen Erfahrungen hier bestätigen das nur.    
Ich dachte mir, dass es für euch vielleicht mal ganz interessant wär über so einige Unterschiede zwischen Indien und Deutschland zu hörn, die mir bisher aufgefallen sind. Ich geb mir Mühe an alles zu denken – is gar nicht so einfach, vieles ist für uns hier doch schon zur Gewohnheit geworden!  

Zu Beginn mal das wahrscheinlich bekannteste Beispiel: Das Kopfwackeln :)
Jaa es stimmt! Hier in Indien wird nicht genickt, sondern mit dem Kopf gewackelt. Das reicht, je nach persönlicher Vorliebe, von einem kleinen Zucken bis zu einem heftigen hin und her schaukeln des Kopfes, oft begleitet von einem kurzen OK (aber nicht „Okay“! damit verarscht uns Father James nämlich immer.. okaaaaay :D). Um ein Nein auszudrücken wird, wie bei uns auch mit dem Kopf geschüttelt oder einmal kurz gezuckt und dabei mit der Zunge geschnalzt.
Man sieht, es ist eigentlich gar nicht soo schwer, aber am Anfang mussten wir doch noch oft nachfragen, was genau jetzt gemeint ist. Inzwischen haben wir uns schon so dran gewohnt, dass wir uns manchmal selbst dabei ertappen, wie wir leicht mit dem Kopf wackeln, wenn wir mit Indern reden :D

Eine weitere Auffälligkeit ist, dass in Indien die linke Hand als unrein gilt (auch davon dürften schon viele gehört haben). Klopapier ist hier nur sehr wenig verbreitet und so stehen dafür in den meisten Toiletten ein großer und kleiner Eimer mit Wasser zur Verfügung .. Ich denk ich bleib aber trotzde noch bei der üblichen westlichen Methode ;)
Allerdings ist es daher klar, dass hier nur mit der rechten Hand gegessen wird. Und an das mit den Händen essen ham wir uns schnell gewöhnt! Ist bei dem vielen Fisch eh viel einfacher.. Als es gestern bei einem benachbarten Konvent Messer und Gabel  beim Essen gab, warn Theresa und ich erstmal völlig irritiert und wussten nicht wirklich, wie wir damit essen solln :D Die Fathers haben uns total ausgelacht (wir müssen wohl etwas verwirrt geschaut haben) und wir haben dann doch lieber mit den Händen gegessen.

Das Essen ist hier auf alle Fälle ganz anders gewürzt, als in Deutschland! Es ist eigentlich immer scharf, auch das Frühstück. Ich glaube wir ham uns mittlerweile schon ziemlich dran gewöhnt, aber es ist schwierig, das ohne Vergleichsmöglichkeiten festzustellen.. unser erster Besuch muss dann als Versuchsopfer dran glauben! Auf alle Fälle haben wir letztens unsre Pizza nicht nur mit Oregano, sondern auch mit Chillipulver gewürzt, und es war mega lecker  :D
Wenn das Essen nicht grad super spicy (das wichtigste Wort hier) ist, dann ist es papp süß! Im Tee, Kaffee, Kuchen und allen andren Süßigkeiten ist mindestens die doppelte Menge an Zucker drinnen. Da kann es schon vorkommen, dass man sich beim Sprite wundert: hää in Deutschland war des irgendwie süßer.. 

Hier in Indien wird Privatsphäre auch nicht so groß geschrieben, wie das in Deutschland der Fall ist. Wenn man in einem Zugabteil oder am Strand ein bisschen abseits sitzt, setzt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine indische Familie 1 Meter neben dich, du könntest ja einsam sein! Gerne fragen sie dich auch über deine Herkunft, deinen Namen (ooh good name!) und alles andre aus, oder sie rufen dir quer über die Straße ein „Hi! How are you?“ zu (eine Antwort darauf erwarten sie gar nicht). Man sieht auch bei den meisten Häusern hier in der Umgebung immer die Türen offenstehn . Man kann den Leuten dann quasi ins Wohnzimmer schaun :)

Was ganz klar ein Unterschied zwischen Indien und Deutschland ist, ist der Umgang mit der Zeit! Theresa und ich reden schon immer von einer Uhrzeit als Indien-Time oder German-Time (je nach dem mit welchen Menschen man zu tun hat). Bei den Indern geht’s eben meistens etwas gemütlicher zu und es stört niemanden, wenn man in der Kirche 20 Minuten zu spät kommt.. immerhin kommt man! 

Auch mit der Vorausplanung haben es die Menschen hier nicht so. Da kann es schon vorkommen, dass wir 5 Minuten vor dem Beginn der Playschool von den Fathers nebenbei erfahren, dass diese heute ausfällt (sowas kann allerdings auch ziemlich nervig sein!). Auch dir Planungen von irgendwelchen Festen ist immer ziemlich spontan und die Kinder proben ihre Auftritte höchstens eine Woche lang – Sie klappen meistens trotzdem! Bei uns in Deutschland würde man da mindestens 3 Monate davor beginnen :D

Wenn man durch Fort Kochi schlendert sieht man oft erwachsene Männer, die sich an den Händen halten. Auch unsre Jungs im Boys Home haben oft mal den Kopf am Schoß des andren oder an dessen Schulter liegen. Was bei uns in Deutschland sofort mit „Schwul!“ beschimpft werden würde ist hier völlig normal. Es ist ein sehr ungewöhnliches Bild, aber ich finds schön :) Warum sollten Jungs das nicht dürfen?

In den letzten Wochen hat sich hier die Häufigkeit der Stromausfälle drastisch gesteigert! Das liegt daran, dass es hier zu wenig geregnet hat und deshalb an Energie gespart werden muss (keine Ahnung, wurde uns so erklärt). Nun haben wir jeden Tag in der Früh und am Abend eine halbe Stunde Stromausfall (manchmal auch öfters). Die Inder nehmen das ganz locker: Während man sich in Deutschland sofort beschweren würde, sitzt man hier halt eben ein bisschen im Dunkeln oder bei Taschenlampenlicht herum.. is ja kein Weltuntergang! Ich hatte auch schon mal Stomausfall, während ich unter der Dusche stand – macht doch nix, ich hab halt bei Kerzenschein weitergeduscht! Auch ne witzige Erfahrung :D

Was einfach völlig verschieden ist, ist das Verständnis von Höflichkeit. Nicht, dass die Inder nicht höflich sind – das sind sie auf jeden Fall- aber es gibt hier ganz alltägliche Dinge, die in Deutschland einfach unmöglich wären. Dazu gehört beispielsweise das laute Rülpsen. Es kann vorkommen, dass sich jemand mit dir normal unterhält, plötzlich ein paar Mal laut rülpst und dann einfach weiterredet, als wäre nichts geschehn. Hier wird auch oft und gern einfach auf die Straße gespuckt (da muss man schon mal zur Seite springen) und der Müll überall fallen gelassen. Das alles ist hier nicht unhöflich gemeint, sondern einfach normal..

Als wir das erste Mal Milch im Supermarkt gekauft haben, haben wir sie nachher weggeschmissen, weil sie seit 2 Wochen abgelaufen war. Inzwischen ist uns klar geworden: Das ist hier normal! Man kauft hier wirklich alles abgelaufen.. Aber es ist ja nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum und wir sind alle hart im Nehmen! Bis jetzt war noch nix wirklich schlecht, dass wir gegessen haben und wir schaun einfach nicht mehr aufs Datum :D


So das warn die wichtigsten Sachen, glaub ich..
Ich kann nur sagen, dass es mir hier, nach einem kurzen Tief, wieder echt gut geht!
Wir machen jetzt in der Playschool jeden Morgen mit den Kleinen ein bisschen Programm. Wir haben schon die Farben mit Hilfe von Luftballons durchgenommen (this is red colour..), mit den Kids Schiffe mit ihrem Namen drauf gebastelt, mit ihnen getanzt und sie Früchte ausmalen lassen. Mit ihnen macht die Arbeit einfach unglaublich Spaß! Sie geben so viel zurück und ich freu mich jedes Mal drauf, sie alle wieder zu sehn :)

Morgen fahren Theresa und ich in Richtung Chennai (Hauptstadt des Nachbarbundesstaats Tamil Nadu). Dort treffen wir endlich wieder Natalie und Mareike, die andren beiden Freiwilligen aus unsrer Organisation, und reisen mit ihnen und Pater Francis (einem der 3 Organisatoren aus Deutschland) für ca. 9 Tage in Südindien herum.
Dazu dann aber nach der Reise mehr :)

Heut schick ich keine Fotos mit, des dauert hier immer so eeewig zum Laden.. aber dafür poste ich demnächst mal ganz viele, versprochen!

Passt auf euch auf und bleibt gesund!
Viel Glück euch allen beim Studium, in der Schule, der Arbeit und sonst auch..
Liebste Grüße aus Indien,
Lea :*