Samstag, 15. September 2012

Namaskaram :)


Es tut mir leid, dass ich schon länger nix mehr geschrieben hab..  in den letzten Tagen ist hier im Boys Home der Alltag eingekehrt. Es passieren keine großen Highlights mehr, sondern eher kleine Dinge und darüber fällts mir viel schwerer zu schreiben! Man muss viel mehr nachdenken ;)
Die letzte Zeit könnte man mit den Wellenbewegungen des Meeres hier in Fort Kochi vergleichen – ein beständiges Auf und Ab. Es gibt’s immer wieder schöne und erfüllende Erlebnisse, aber auch sehr anstrengende und schlauchende Phasen.

Zum einen merke ich, wie viel enger der Kontakt mit den Jungs geworden ist. Das fällt an Kleinigkeiten auf, wie z.B. den steigenden Gesprächen beim Essen oder den Witzen untereinander. Was auch super viel Spaß macht, ist das Uno spielen mit ihnen! Wir haben es aus Deutschland mitgebracht und seit wir es ihnen gezeigt haben, ist es hier der Dauerbrenner :D Dass Uno eigentlich ein Spiel GEGENEINANDER ist ham sie noch nicht ganz begriffen, aber es ist echt richtig lustig mit anzusehen, wie die Jungs (die beim Basketball alle oft nur für sich selbst spielen) sich gegenseitig helfen und plötzlich als Team zusammenarbeiten.
In solchen Momenten wird mir bewusst, wie lieb ich die Jungs gewonnen hab  und wie sehr ich sie in der kurzen Zeit hier schon ins Herz geschlossen hab!

Andererseits fällt mir immer wieder auf, wie wenig die Jungs uns gehorchen. Während der Cleaning-Time am Morgen beispielsweise (meiner Meinung nach die schlimmste Zeit am Tag :D). Unsere Aufgabe ist es, banal gesagt, herum zu laufen und zu schaun, dass die Jungs auch ihre eingeteilten Aufgaben erledigen. Vor ein paar Tagen hab ich währenddessen mal entdeckt, dass ein paar Jungs hinterm Haus ein bissl rumgezündlt ham (nix schlimmes, aber sie sollten eigentlich Aufräumen!) . Ich hab sie geschimpft und gesagt, sie sollen es lassen und stattdessen ihre Housework machen. 10 Minuten später hab ich nochmal vorbei geschaut und sie wieder am Zündln gesehn.. Ich war unglaublich sauer und hab mit ihnen geschimpft, doch als ich ihnen die Streichholzschachtel wegnehmen wollte, sind sie abgehauen und ham mich ausgelacht. In solchen Momenten fühl ich mich einfach unglaublich hilflos! Ich hab ihnen dann mit einer Woche Basketball-Verbot gedroht, wenn ich sie nochmal erwisch, hab ich aber nicht. Trotzdem bin ich mir sicher, dass sie ihren selbstgebastelten Böller irgendwo abgefeuert haben..
Auch wenn wir mal in der Study-Time mit ihnen allein sind, ist es immer um einiges lauter, als wenn Warden oder Father Shaju dabei sind. Wir sind einfach noch zu wenig Respekts- und Autoritätsperson für sie!

In der Playschool macht es meistens super viel Spaß! Hier merkt man am schnellsten, was wir für Fortschritte machen, da die Kleinen einfach immer zutraulicher werden :)
Es ist immer schön, wenn man merkt, dass sich sonst eher scheue Kinder öffnen und von sich aus deine Hand nehmen und sich auf deinen Schoß setzen! Sie nennen uns auch inzwischen manchmal „Auntie“ oder „Checchi“ (Malayalam für große Schwester). Klar is es auch hier oft anstrengend, aber des gehört irgendwie dazu..

Richard, der kleine Chiller ;)

Sie ist einfach soo süß :*
  
Letzte Woche ist Father Tojy, der eigentliche Leiter hier (sozusagen The Big Boss :D), von seiner 3 monatigen Amerikareise zurückgekommen. Wir haben seine Ankunft gespannt erwartet, da er uns als ziemlich streng und „different“ angekündigt wurde. Unser bisheriger Eindruck von ihm ist allerdings sehr positiv! Er hat uns gleich zu Beginn nahegelegt, ihn bei Problemen und Fragen sofort anzusprechen und schein doch recht offen zu sein. Außerdem hab ich bei ihm die Hoffnung, dass es nun tatsächlich was wird mit unsrem Malayalam-Unterricht!
Theresa und ich haben jetzt auf alle Fälle alleine mal angefangen, die Buchstaben des Malayalam zu lernen.. ich komme mir vor wie in der ersten Klasse, es ist wie malen :)
Aber es macht echt Spaß und ist wenigstens ne sinnvolle Beschäftigung, während der Study-Time! Und die Jungs finden uns super lustig :D

Gut, dass ich so begabt in Kunst bin :D

Was für mich persönlich echt schwierig ist, ist die Tatsache, das wir permanent mit unserer Vorgängerin Alice verglichen werden. (Kurz zu Alice selbst: Sie ist ein super liebes Mädl, mit dem wir schon von Deutschland aus Kontakt hatten und jetzt immer noch!) Das Problem ist nur, dass sie sich dabei unbewusst immer nur auf die letzten Monate beziehen. Nimi hat uns zum Beispiel vor kurzem darauf angesprochen, dass wir doch mal mehr mit den Jungs machen sollen. Alice hatte ja soo einen guten Kontakt zu ihnen und hat so gut Malayalam gekonnt. Allerdings hat Nimi Alice nur die letzten 2 Monate erlebt und nicht vorher und wir geben und wirklich Mühe mit den Jungs und spielen viel mit ihnen!
Sie meinen es sicher alle nicht böse, aber es ist eben für uns nicht immer leicht..
Solche Momente sind natürlich wie geschaffen für ein bissl Heimweh. Zum Glück hab ich jetzt erfahren, dass mich meine ganze Familie über Ostern hier besucht! Des heißt die Trennung ist ja nicht soo lange ;)


DER Schokokuchen
Soo zum Schluss noch was Schönes.. ich will ja nicht, dass ihr denk mir gefällts hier nicht :)
Wir haben in den letzten Wochen angefangen, Kochi ein bissl mehr zu erkunden und dabei (dank Lonely Planet) ein wunderwunderschönes Café entdeckt! Es heißt Kashi Art Café und ist in Fort Kochi, etwa 20 Minuten mim Radl entfernt. Es gibt dort echten NORMALEN Capuccino und einen suuuper leckren Schokokuchen (normal süß!). In diesem Café sind oft Touristen, aber es herrscht trotzdem eine super schöne ruhige und entspannte Atmosphäre und es ist einfach der perfekte Ort um mal runter zu kommen und seine Seele baumeln zu lassen :)
Seit wir vor 2 Wochen das Kashi entdeckt ham, sind wir schon 4 Mal da gewesen und ich glaub die Kellner kennen uns inzwischen schon. Und alle Besucher seid gewarnt: Wir werden euch als erstes dorthin entführen.. (und dann folgen die andren schönen Cafés in der Ecke :D)
Sonst hörn Theresa und ich in unsrer freien Zeit stundenlang Harry Potter (Theresa ist grad mitten in der Heulenden Hütte und kann daher meinen Blogeintrag nicht lesen :DD)..

Das wars :) Ich hoff ich hab mich gut geschlagen.. Danke für die tatkräftige Unterstützung Ina :D
Und gaaanz lieben Dank an Omi und Opa für den Brief! Ich hab mich unglaublich drüber gefreut!! (und jaa, das war ein versteckter Wink mit dem Zaunpfahl.. SCHREIBT MIR!!! :DD)

Passt auf euch auf und bleibt/werdet gesund! Ich denke oft an euch..
Küsse aus Indien,
Lea:*

Spielplatz in Fort Kochi
Dämmerung am Strand
In unsren neuen Kleidern..

Dienstag, 4. September 2012

Zurück aus Ooty :)


Vanakkam!!

Das ist Tamil (Ooty liegt nicht in Kerala, sondern im Bundesstaat nebendran – Tamil Nadu) und bedeutet so viel wie Hallo oder Willkommen :)
Wir haben in der Woche mal wieder so vieles erlebt, dass ich gar nicht genau weiß, wo ich anfangen soll.. Ich beginn einfach mal chronologisch.

Ab in den Zug :)
Am 28.08. sind Theresa und ich gegen Mittag von Ernakulam aus mit dem Zug in Richtung Coimbatore gestartet. Wir warn natürlich schon ziemlich gespannt.. Indisches Zugfahren ist ja aus diversen Filmen als sehr chaotisch, laut und überfüllt bekannt!
Die Zugfahrt hat sich dann allerdings als das genaue Gegenteil herausgestellt: Wir waren im Sleeper-Wagen, dh man konnte die Sitze zu Betten umklappen (immer 3 übereinander!) und hatte mega viel Platz. Natürlich hatten Theresa und ich das Glück, in einem völlig leeren Wagon direkt neben einer indischen Familie mit 5 Kindern zu landen :D Wir waren die Attraktion schlechthin und wurden erst Mal ne halbe Stunde lang von ihnen ausgequetscht, angefangen bei „Wie heißt du?“ über „ Wie heißen deine Eltern?“ bis hin zu „Was ist deine Lieblingsblume“ (sie kannten Sonnenblumen!). Danach haben sie uns dann aber auch mal Zeit für uns selbst gelassen und mit Harry Potter im Ohr, Toast, Cola, Bananen und Oreo-Keksen verging die Fahrt wie im Flug!


In Coimbatore angekommen wurden wir von Father Albert, dem unglaublich lieben Jugendpfarrer in Ooty (er hat uns dann während der ganzen Zeit dort begleitet) abgeholt und ins Hotel gefahren. Es war super angenehm, mal wieder mit Menschen zu tun zu haben, deren Denk- und Verhaltensweise man versteht und mit denen man sich normal unterhalten kann.. Sie waren alle größtenteils in unsrem Alter und super nett! Ein Mädl, dass ich schon aus Bamberg kannte, hat mir, völlig überraschend, deutsche Schokolade von meinen Großeltern mitgebracht!!! Danke nochmal, Omi und Opa, ich hab mich riesig gefreut!! :) Und über die Schokolade und die Spagetti von Joseph auch!

Die erste Nacht haben wir also im Hotel geschlafen, die weiteren haben Theresa, eine weitere Freiwillige und Ich in Ooty bei Josephs Familie verbracht (der Rest der Reisegruppe hat auch in Ooty in einem Hotel geschlafen). Das war super cool, da wir so mal das Leben in einer echten indischen Familie kennenlernen konnten. In dem Haus haben Josephs Mama, sein Bruder und dessen Frau und deren beiden Kinder Merlin (ein Mädchen! 10 Jahre alt) und Kevin (14 Jahre alt) gelebt. Sie stammen eher aus reicheren Verhältnissen (Josephs Papa war Arzt, seine Mama Lehrerin), aber sie kümmern sich sehr um ärmere Familien. Der Dorfzusammenhalt ist dort auch extrem stark! Jeder hilft jedem und die Türen stehen immer füreinander offen, das ist wirklich beeindruckend! Morgens gabs immer warmes Essen und – man glaubt es kaum – aber man gewöhnt sich wirklich daran! Und es schmeckt sogar echt gut :)
Außerdem gabs immer super leckeren Tee (schmeckt bissl wie der Chai-Tee in Deutschland, nur noch besser!).

ein bekannter Hindu-Tempel
Das Programm, das Joseph für uns alle zusammengestellt hatte, war super interessant. Wir waren unter anderem in einem wunderschönen Park, einem Hindu-Tempel, einer Teefabrik und einer Nadelfabrik. In letzterer arbeiten Frauen, die keinen Abschluss haben und somit keine andere Arbeit finden. Ihr Arbeitstag geht von halb 9 bis 17 Uhr und sie bekommen dafür 50 Euro im Monat! Mit diesem bisschen Geld müssen sie oft den Unterhalt ihrer Familien finanzieren. Ich habe mich schon ein bisschen schlecht gefühlt mit meinen 100 Euro Taschengeld monatlich..



Zu Gast bei den beiden indischen Mädchen
Wir waren auch in einigen Schulen und haben dort unter anderem Vorträge zum Thema Jugendarbeit und der Situation Jugendlicher in Ooty. Die erschreckenden Unterschiede lassen sich an folgendem Beispiel gut erkennen:
Auf die Frage hin, was wir deutschen Mädls tun würden, wenn unser Freund mit uns Schluss macht, haben wir geantwortet, dass wir schon enttäuscht und traurig sein würden, aber dass das Leben irgendwann weitergehen würde.
Von den indischen Mädchen kam auf die selbe Frage die einheitliche Antwort: Suicide (Selbstmord)!! Und sie haben das ernst gemeint!
Später hatten wir die Gelegenheit uns mit einigen von ihnen zu Unterhalten. Natürlich kam die Sprache auch dort auf das Thema Beziehung und Heirat. Unsre beiden Mädchen haben uns erzählt, dass sie jetzt die Schule fertig machen, danach würden ihre Eltern dann beginnen, einen Mann für sie zu finden. Eine Hochzeit mit dem Mann den man liebt funktioniert nur, wenn die Eltern einverstanden sind. Wenn sie es nicht erlauben, muss man als Frau diesen Mann vergessen.
Die Beiden haben auch gemeint, dass sie ihren Eltern nie erzählen würden, wenn sie sich verliebt würden oder einen Freund hätten, denn sonst würden diese sofort damit beginnen, einen anderen Ehemann für sie zu suchen.. Schon krass! Bei solchen Erzählungen bin ich einmal mehr froh, in Deutschland aufgewachsen zu sein.

Die Vorträge waren oft wirklich interessant und hatten gute Ansätze (zum Beispiel bezüglich der Freiheiten von Mädchen). Was hier aber mal wieder aufgefallen ist, ist die extreme Religiösität der Inder. Die Lösung der ganzen Gesellschaftlichen Probleme waren nämlich meistens, dass die Jugendlichen täglich in die Kirche gehen, den Rosenkranz beten und sich doch katholischen Lehrern anvertrauen sollen.. naja ok!
Wichtig ist auch zu wissen, dass es in Indien zwar eine große Toleranz gegenüber anderen Glaubensrichtungen gibt (an katholischen Schulen werden beispielsweise auch Hindus und Muslime angenommen), aber die Situation, dass ein Mensch gar keinen Glauben hat, ist für sie vollkommen unverständlich und inakzeptabel.

Eine indische Besonderheit habe ich während dieser Reise mal wieder sehr deutlich erfahren und ich denke jeder, der schon Mal in Indien war, weiß was ich meine – die Gastfreundlichkeit!
Es ist wirklich beeindruckend, wie selbst die Ärmsten der Armen ihr bestes Geschirr und die besten Speisen auspacken, nur damit sich der Gast bei ihnen wohl fühlt. Wenn ich das mit Deutschland vergleiche, schäme ich mich jedes Mal ein bisschen. Ich glaube, in  der Hinsicht kann jeder von uns etwas von dieser Kultur lernen..

Die Zeit in Ooty war echt wunderschön, wenn auch extrem kalt! Eigentlich sollte es um diese Jahreszeit so um die 25 Grad haben, stattdessen hatte es meistens so um die 10 bis 15 Grad und es hat in Strömen geschüttet (dafür hats im Juni und Juli hier nicht geregnet, der eigentlichen Monsunzeit). Jedenfalls haben das Wetter und die fehlenden Heizungen dazu geführt, dass die Klamotten und Handtücher nicht getrocknet sind und die Decken auch immer klamm waren. Aber was solls, man gewöhnt sich an alles (auch an das warme Duschen mit Hilfe eines Kübels – immerhin wars WARM! :D).

Indischer Winter..

Trotzdem bin ich irgendwie froh, wieder zurück im Boys Home zu sein.. Es fühlt sich fast ein bisschen wie zu Hause an, so vertraut :)

Ich hoffe es geht euch allen gut in Deutschland!
Passt auf euch auf und bleibt gesund..
Lea :*


die wunderschöne Lage eines Konvents
Simpark

Schlechtes Wetter macht erfinderisch :D


Die liebe Verkäuferin auf dem tibetischen Markt in Ooty

Straßenstand




Straße in Ooty

Gewürze über Gewürze auf dem Markt in Ooty

Es gibt hier AFFEN!!

Hupen ist hier sogar Pflicht :)